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Die Faszination des Gähnens

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
14.11.20
6 Minuten Lesezeit
Ein weißer Mann mit Bart gähnt mit geschlossenen Augen, hält sich dabei die Hand halb vor den Mund

Gähnen ist weit mehr als ein banales Zeichen von Müdigkeit oder Langeweile. Es ist ein komplexer und natürlicher Reflex mit tiefgreifender Bedeutung für unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unsere Verbindung zu anderen Menschen. In diesem Blogartikel erkläre ich genau, was das Gähnen so besonders macht.

Warum gähnen wir?

Gähnen wird oft missverstanden und mit Unhöflichkeit assoziiert, besonders in sozialen Situationen.  Wenn du im Schulunterricht, in einer Unterhaltung mit einem Mitmenschen oder während einer Präsentation deines Chefs (laut) gähnst, wird das in der Regel als unangebracht und als Zeichen der Langeweile angesehen.

Diese Fehlwahrnehmung führt dazu, dass wir in Gruppen häufig versuchen, unseren natürlichen Gähn-Reflex zu unterdrücken. Das ist nicht nur unnötig, weil Gähnen eben nicht nur für Müdigkeit und Langeweile steht, sondern auch körperlich ungesund! Gähnen ist ein essenzieller, natürlicher Reflex, der unglaublich wichtig für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden ist. Es ermöglicht uns, angestaute Energie im Körper zu bewegen und zu integrieren.

Als Teil der parasympathischen Reaktion des Nervensystems hilft uns Gähnen dabei, uns zu entspannen und Stress und Anspannung abzubauen. Dies ist zum Beispiel besonders wichtig, nachdem das sympathische Nervensystem aktiv war und wir uns im „Fight or Flight“-Modus befunden haben. Um die im Körper entstandenen Stresshormone und die aufgestaute Energie abzubauen, hilft der Parasympathikus – durch Zittern oder eben Gähnen – diese Energie freizusetzen – vorausgesetzt wir lassen es zu!

Gleichzeitig sorgt Gähnen auch dafür, dass unser Energielevel ansteigt und wir achtsamer und aufmerksamer werden. Es hilft uns, unsere Stimmung zu verbessern – und ja, es hilft auch, dass wir besser einschlafen können, eben weil es für Entspannung in unserem Körper sorgt.

Zudem hilft uns Gähnen dabei, dass wir uns mit unserem Körper UND unseren Gefühlen verbinden. Indem wir gähnen, schenken wir unserem Körper Aufmerksamkeit und können ein Bewusstsein dafür bekommen, wie es uns (und unserem Körper) gerade geht und was wir wirklich brauchen.  

Wenn wir unseren Gähn-Reflex allerdings unterdrücken oder aufkommendes Gähnen verhindern, verhindern wir diese positiven Effekte für unseren Körper! Stattdessen staut sich die Energie in unserem Körper, was zu inneren Blockaden führen kann.

Was hat Gähnen mit unserem Selbstbewusstsein zu tun?

Das Unterdrücken unseres Gähn-Reflexes kann ein Zeichen für ein geringes Selbstbewusstsein sein. Warum? Manche Menschen gähnen nicht vor anderen, weil es die Aufmerksamkeit auf sie ziehen und sie dadurch plötzlich im Mittelpunkt stehen könnten.

Indem wir unser Gähnen unterdrücken, verstecken wir uns und verstellen unsere Natürlichkeit, um nicht (negativ) aufzufallen und die Aufmerksamkeit anderer auf uns zu ziehen.

Erlaube dir zu gähnen - auch vor anderen!

Im ersten Moment klingt das nicht sonderlich schlimm, aber frag dich doch mal Folgendes: Wenn du dir schon nicht erlauben kannst, einem natürlichen Impuls deines Körpers, den er braucht, nachzugeben, in welchen anderen Bereichen deines Lebens erlaubst du dir dann ebenfalls nicht, natürlich und vollständig du selbst zu sein?

Wenn du dir Sorgen machst, was Menschen über dich denken könnten, wenn du (laut) gähnst, dann gibt es vermutlich auch andere Lebensbereiche, in denen du dir Sorgen darüber machst, was andere denken, sagen und wie sie reagieren könnten, wenn du ganz natürlich und du selbst bist.

Letztlich scheint Gähnen keine „große Sache“ zu sein – trotzdem kann es sowohl auf unsere Persönlichkeit als auch auf unsere Gesundheit große Auswirkungen haben.

Ich möchte dich einladen, dein Gähn-Verhalten in Zukunft bewusster wahrzunehmen. Kannst du die alten gesellschaftlichen Bilder loslassen und beginnen für dich, deinen Körper und dein Selbstvertrauen aus vollem Herzen und mit deinem ganzen Körper zu gähnen?

Seitdem ich weiß, wie wichtig Gähnen für meine Gesundheit UND mein Selbstbewusstsein ist, achte ich viel bewusster auf mein Gähn-Verhalten und versuche es nicht mehr zu unterdrücken.

Was haben Gähnen und ein Orgasmus gemeinsam?

Übrigens ist der Prozess beim Gähnen ähnlich dem eines Orgasmus: Wir können das Gähnen bewusst auslösen oder unterdrücken – genau, wie wir einen Orgasmus bewusst herbeiführen oder eben unterdrücken können. Wenn das Gähnen (oder der Orgasmus) dann aber erst einmal passiert, ist es nicht mehr möglich, ihn zu stoppen (höchstens noch, ihn irgendwie zu verstecken)!

Übrigens könnte es hier auch einen Zusammenhang zu unserer Fähigkeit geben, unsere sexuellen Bedürfnisse ausleben und beim Sex vollständig loslassen zu können.

Vielleicht magst du einmal dein persönliches Gähn-Verhalten mit deiner (gelebten) Sexualität vergleichen. Kannst du beim Gähnen deine Sorgen darüber, was andere denken, vollständig loslassen und dich dem Gähnen ganz hingeben? Und wie ist das beim Sex (allein oder mit deine*r Partner*in)? Kannst du vollständig loslassen und dich hingeben?

Wenn du hier bei beidem ein ähnliches Verhalten feststellst, schau doch einmal, ob du in den kommenden Wochen dein Gähn-Verhalten verändern oder anpassen kannst und beobachte, welche Auswirkungen das auch auf deine gelebte Sexualität hat…

Spiegelung und Empathie: Warum ist Gähnen ansteckend?

Vermutlich ist dir schon mal aufgefallen, dass du plötzlich gähnen musstest, wenn dein Gegenüber zuvor auch gegähnt hat (vielleicht musstest du auch beim Lesen dieses Artikels schon gähnen) – und das, obwohl du weder müde noch gelangweilt warst!

Die Erklärung dafür liegt in unserem Gehirn: Wenn wir gähnen, wird in unserem Gehirn der gleiche Bereich aktiviert, der auch mit unserer Kreativität, unserer Empathie und unserer Bindungsfähigkeit zusammenhängt.

Die ansteckende Wirkung des Gähnens zeigt die neuronale Verbindung zwischen Menschen. Es spiegelt unsere Empathie wider und stärkt die Bindung zu anderen. Dass wir gähnen müssen, wenn jemand anderes vor uns gähnt, ist also eine natürliche (unbewusste) Art des Systems, uns mit dem Gegenüber zu verbinden. Wir stellen dadurch Nähe und Verbindung zum anderen her.

Andersherum gilt aber tatsächlich auch, dass der Reflex zu gähnen nicht unbedingt da ist, wenn jemand, den wir nicht so gern mögen, gähnt.

Lass uns gemeinsam gähnen!

Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Artikel zeigen, dass Gähnen mehr ist als ein bloßes Zeichen für Müdigkeit und Langeweile. Wenn du dieses Thema genauso spannend findest wie ich, melde dich gerne zu meinen Breathing Letter an – hier erhältst du ein- bis zweimal im Monat Informationen zu neuen Blogartikeln, meinen Breathwork-Angeboten und Impulse zu deinem Atem.

Hinterlasse mir gerne in den Kommentaren deine Gedanken zu diesem Artikel: Was hast du bisher über das Gähnen gedacht? Und was denkst du jetzt, nachdem du all diese neuen Informationen bekommen hast? Ich freue mich, von dir zu hören!

Alles Liebe,

Deine Svenja

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
14.11.20
6 Minuten Lesezeit