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Das Zwerchfell: Die verborgene Kraftquelle deiner Atmung

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
22.4.25
15 Minuten Lesezeit
Eine weiblich gelesene Person sitzt im Lotussitz auf einer Yogamatte und macht eine halbe Körperdrehung zur Dehnung.

Zurzeit fokussiere ich in meiner eigenen Breathwork-Praxis besonders die bewusste Arbeit mit dem Zwerchfell. Und weil ich spüre, welche tiefgreifende Wirkung ein gut trainiertes, entspanntes Zwerchfell auf meine gesamte Atmung und mein Wohlbefinden hat, möchte ich dieses Thema in diesem Blogartikel mit dir vertiefend erkunden. Dabei möchte ich dir die Wichtigkeit deines Zwerchfells näherbringen und dich von seiner verborgenen Kraft begeistern, so dass du deinem Zwerchfell in deiner eigenen Praxis in Zukunft hoffentlich ebenfalls mehr Aufmerksamkeit schenkst.

Was ist das Zwerchfell und welche Rolle spielt es bei der Atmung?

Das Zwerchfell ist ein kuppelförmiger Muskel, der unseren Brustraum vom Bauchraum trennt - wie ein flexibles Zelt, das an unserem unteren Rippenbogen befestigt ist. Die Besonderheit dieses Muskels: Er ist der eigentliche Motor unserer Atmung, denn er bewegt unsere Lunge, die aus sich heraus keine eigene Bewegung hat.

Wenn wir einatmen, zieht sich das Zwerchfell in der Regel zusammen und bewegt sich nach unten. Dadurch kann der Brustraum größer werden und ein Unterdruck entstehen, der die Luft in unsere Lungen zieht - ähnlich wie beim Ansaugen einer Flüssigkeit durch einen Strohhalm. Gleichzeitig wird unser Bauchraum komprimiert, was dazu führt, dass sich unsere Bauchdecke nach außen wölbt.

Beim Ausatmen entspannt sich das Zwerchfell wieder, bewegt sich nach oben und kehrt in seine kuppelförmige Ausgangsposition zurück. Diese Bewegung, kombiniert mit der natürlichen Elastizität unserer Lungen, drückt die Luft wieder aus unserem Körper heraus.

Allein durch diese rhythmische Auf- und Abbewegung unseres Zwerchfells kann sich das Volumen unserer Lunge bei jedem Atemzug um mindestens einen halben Liter vergrößern!

Mehr als nur Atmung: Die vielfältigen Funktionen des Zwerchfells

Unser Zwerchfell ist nicht nur für die Atmung zuständig - es ist ein echtes Multitalent in unserem Körper. Durch seine Position und Bewegung hat es vielfältige Auswirkungen auf unser gesamtes Wohlbefinden:

  • Die rhythmische Bewegung des Zwerchfells wirkt wie eine sanfte Pumpe für unser Lymphsystem und unterstützt so den Abtransport von Abfallstoffen aus unserem Körper.
  • Mit jeder Auf- und Ab-Bewegung massiert das Zwerchfell sanft unsere Bauchorgane. Diese natürliche Massage fördert die Verdauung und kann Verspannungen in den Organen lösen.
  • Eine tiefe Zwerchfellatmung aktiviert unseren Vagusnerv und damit den parasympathischen Teil unseres Nervensystems - jenen Teil, der für Entspannung, Regeneration und "Rest & Digest" zuständig ist.
  • Das Zwerchfell hilft außerdem sowohl beim Erbrechen als auch beim Stuhlgang und beim Wasserlassen. Es spielt auch eine Rolle bei der Verhinderung von Säurerückfluss aus dem Magen.

Besonders faszinierend ist für mich die Funktion des Zwerchfells als emotionaler Speicher. In Momenten von Stress, Angst oder traumatischen Erfahrungen reagiert unser Zwerchfell oft mit reflexartiger Anspannung - ein Versuch, emotionale Schmerzen zu kontrollieren oder zu unterdrücken. Diese Anspannungen können über lange Zeit bestehen bleiben und zu einer flacheren, weniger effizienten Atmung führen.

Das Zwerchfell ist übrigens auch "schuld", wenn wir Schluckauf haben. Der Schluckauf entsteht durch unwillkürliche, schnelle Kontraktionen des Zwerchfells, während sich gleichzeitig reflexartig die Stimmritze zwischen den Stimmbändern verschließt. Die einströmende Luft prallt dann gegen die geschlossenen Stimmbänder, und der entstehende Druck entlädt sich in Form des typischen "Hicks".

Anzeichen eines angespannten Zwerchfells

Ein angespanntes Zwerchfell kann unsere Atmung und damit unser gesamtes Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen.

Ein häufiges Anzeichen für ein angespanntes Zwerchfell ist eine flache Atmung, die hauptsächlich im oberen Brustbereich stattfindet. Wenn du bemerkst, dass sich dein Bauch beim Einatmen kaum bewegt oder sogar einzieht anstatt sich auszudehnen, könnte das auf ein angespanntes Zwerchfell (und ein dysfunktionales Atemmuster) hindeuten.

Auch körperliche Symptome wie wiederkehrender Schluckauf, Verdauungsprobleme, Rückenschmerzen im mittleren Rückenbereich oder sogar Schmerzen, die in die Schulter ausstrahlen, können mit Verspannungen im Zwerchfell zusammenhängen.

Auf der emotionalen Ebene kann ein chronisch angespanntes Zwerchfell zu einem ständigen Gefühl von Anspannung, Stress und Ängstlichkeit beitragen. Du fühlst dich vielleicht, als könntest du nicht richtig durchatmen oder als würde dir buchstäblich "die Luft wegbleiben".

Die Ursachen für ein angespanntes Zwerchfell können wirklich vielfältig sein:

  • Stress und emotionale Belastung können zu einer flacheren, schnelleren Atmung führen, bei der wir das Zwerchfell nicht vollständig nutzen.
  • Wie oben schon geschrieben kann das Zwerchfell auch als emotionaler Speicher fungieren und traumatische Erfahrungen können zu chronischen Anspannungen führen, die uns unbewusst "den Atem nehmen".
  • Eine zusammengesackte Sitzhaltung, wie sie bei langer Bildschirmarbeit häufig vorkommt, kann das Zwerchfell einengen und seine Bewegungsfreiheit einschränken.
  • Bestimmte Erkrankungen wie eine chronische Bronchitis oder Asthma können die Atmung und damit die Funktion des Zwerchfells ebenfalls beeinträchtigen.

Anmerkung: Während es mir wichtig ist, dir in diesem Blogartikel möglichst viele Hinweise zum Zwerchfell zu geben und Möglichkeiten zu präsentieren, wie du tiefer in die Verbindung mit deinem Zwerchfell kommen und es trainieren kannst, möchte ich darauf hinweisen, dass ich keine Ärztin oder Therapeutin bin und dieser Artikel weder für eine Diagnose deiner Symptome geeignet ist noch können die folgenden Übungen eine medizinische oder therapeutische Behandlung ersetzen.

Wenn du ernsthafte Sorgen oder Einschränkungen bezüglich deiner Atmung oder deines Zwerchfells befürchtest, suche bitte unbedingt eine Ärztin oder Physiotherapeutin auf, die dich bei der richtigen Behandlung unterstützen kann.

Das Zwerchfell erspüren und kennenlernen

Bevor du damit beginnst, dein Zwerchfell zu trainieren, lade ich dich ein, dein Zwerchfell erst einmal bewusst zu erspüren. Denn nur was wir wahrnehmen können, können wir auch bewusst beeinflussen und trainieren.

Hier ist eine einfache Übung, mit der du dein Zwerchfell ertasten und seine Bewegung spüren kannst:

  1. Lege dich bequem auf den Rücken und lege eine Hand auf deinen oberen Bauchbereich, direkt unter die Rippen.
  2. Atme tief durch die Nase ein und spüre, wie sich deine Hand durch die Abwärtsbewegung des Zwerchfells nach oben hebt.
  3. Beim Ausatmen durch den Mund spüre, wie sich deine Hand wieder absenkt, wenn das Zwerchfell entspannt und nach oben in seine Ruheposition zurückkehrt.

Um die Bewegung des Zwerchfells noch deutlicher zu spüren, kannst du von dieser Position aus deine Finger auch sanft am Rande deiner Rippen in deinen Bauchraum drücken. Sei dabei wirklich behutsam und höre sofort auf, falls es sich unangenehm anfühlt.

Was spürst du? Kannst du die Bewegung deines Zwerchfells wahrnehmen? Bewegt es sich frei und mühelos, oder fühlst du Widerstände oder Anspannungen?

Nimm dir einen Moment Zeit, um diese Erfahrung wirklich bewusst wahrzunehmen. Diese Verbindung zu deinem Zwerchfell kann ein erster Schritt zur Verbesserung deiner Atmung sein.

Übungen zum Training und zur Entspannung des Zwerchfells

Nachdem du nun dein Zwerchfell erspürt hast, möchte ich dir noch drei Übungen vorstellen, die ich persönlich sehr hilfreich finde, um mein Zwerchfell zu trainieren, zu dehnen und zu entspannen.

Übung 1: Grundlegendes Zwerchfelltraining

Diese Übung kann dir helfen, die Bewegung deines Zwerchfells zu stärken und zu vertiefen:

  1. In derselben bequemen Position wie oben, atme langsam durch die Nase ein, zähle dabei innerlich bis vier und achte darauf, dass sich dein Bauch sanft nach außen dehnt.
  2. Halte deinen Atem für einen Moment.
  3. Atme dann langsam und vollständig durch leicht gespitzte Lippen aus, als würdest du durch einen Strohhalm blasen, zähle dabei innerlich bis sechs. Konzentriere dich darauf, dein Zwerchfell bewusst nach oben in den Brustkorb zu drücken, so dass die Luft aus deinen Lungen herausgepresst wird.
  4. Wiederhole diese Übung für einige Minuten und versuche, deine Atmung mit jeder Wiederholung zu vertiefen.

Übung 2: Seitliche Dehnung im Sitzen

Dies ist eine meiner morgendlichen Lieblingsübungen, die ich aus dem Yoga adaptiert habe:

  1. Setze dich aufrecht auf den Boden in eine für dich angenehme Position (Schneidersitz, Fersensitz oder einfach mit ausgestreckten Beinen).
  2. Lege deine rechte Hand neben dir auf den Boden und hebe den linken Arm über deinen Kopf, sodass du dich sanft zur rechten Seite dehnen kannst.
  3. Atme bewusst in deine linke Seite und spüre, wie sich die Rippen und der Bereich zwischen den Rippen beim Einatmen ausdehnen. Stell dir vor, wie dein Atem in den Raum zwischen deinen Rippen fließt und sie sanft weitet.
  4. Beim Ausatmen kannst du vielleicht spüren, wie die Dehnung deiner Rippen zurückgeht.
  5. Halte die Dehnung für einige tiefe Atemzüge und wechsle dann die Seite.

Das Wichtige bei dieser Übung ist nicht, wie weit du dich dehnst, sondern dass du bewusst in die Seiten atmest und dabei das Zwerchfell trainierst. Halte die Dehnung daher sanft, um deine Atmung nicht einzuschränken.

Übung 3: Sanfte Drehung im Schneidersitz

Diese Übung dehnt ebenfalls die Seiten und das Zwerchfell, dieses Mal mit einer leichten Drehung:

  1. Setze dich in den Schneidersitz oder eine andere für dich bequeme Sitzposition auf den Boden.
  2. Lege deine rechte Hand auf dein linkes Knie und deine linke Hand hinter deinem Rücken auf den Boden.
  3. Drehe deinen Oberkörper sanft nach links, während du tief einatmest und spüre, wie sich die rechte Seite deines Brustkorbs dehnt und weitet.
  4. Atme bewusst in diese Dehnung hinein und stelle dir vor, wie dein Atem den Raum zwischen deinen Rippen füllt.
  5. Halte die Position für einige Atemzüge und wechsle dann die Seite.

Auch hier gilt: Die Drehung sollte sanft sein, um deine Atmung nicht zu behindern. Es geht nicht darum, wie weit du dich drehen kannst, sondern um die bewusste Atmung in die Dehnung hinein.

Ich nutze diese Übungen seit einigen Monaten jeden Morgen, bevor ich in meine eigentliche Yogapraxis wechsele und kann dadurch erleben, wie meine Atmung zunehmend tiefer, ruhiger und entspannter wird. Während es mir früher sehr schwergefallen ist, überhaupt in meine Rippen oder meinen Rücken zu atmen, kann ich meinen Atem mittlerweile mühelos dorthin lenken.

Meine Einladung an dich, mit deinem Zwerchfell zu arbeiten

Die bewusste Arbeit mit dem Zwerchfell kann unsere Atmung und damit unser gesamtes Wohlbefinden tiefgreifend verbessern. Ein starkes und flexibles Zwerchfell unterstützt uns nicht nur dabei, uns zu entspannen und Stress abzubauen, sondern hilft uns auch dabei, eine tiefere Verbindung zu unserem Körper herzustellen und fördert eine effiziente Sauerstoffversorgung.

Was für mich persönlich besonders faszinierend ist, ist die Verbindung zwischen Zwerchfell und emotionalem Wohlbefinden. Indem wir sanft an der Entspannung unseres Zwerchfells arbeiten, können wir oft auch emotionale Spannungen lösen, die wir vielleicht schon lange mit uns herumgetragen haben. (Bitte sei auch hier sehr sanft mit dir! Solltest du während der Arbeit mit dem Zwerchfell merken, dass Emotionen hochkommen, die du allein nicht halten kannst, hole dir unbedingt Unterstützung durch einen Atem-Coach oder eine Therapeutin!).

Ich lade dich ein, die vorgestellten Übungen regelmäßig in deinen Alltag zu integrieren. Vielleicht wie ich als Teil einer morgendlichen Routine oder zwischendurch, wenn du das Gefühl hast, dass deine Atmung flach oder angespannt ist. Sei dabei immer sanft mit dir selbst und gib deinem Körper die Zeit, die er braucht, um alte Muster zu lösen und neue zu integrieren.

Wenn du mehr über die Arbeit mit deinem Atem und deinem Zwerchfell erfahren möchtest, schau dir gerne meinen Let's Breathe Online-Kurs an, in dem wir noch tiefer in die faszinierende Welt der Atmung eintauchen und ich dich bei der Entwicklung deiner eigenen Atempraxis unterstütze.

Ich freue mich darauf, von deinen Erfahrungen mit diesen Übungen zu hören! Hast du schon einmal bewusst mit deinem Zwerchfell gearbeitet? Oder hast du Fragen zu den Übungen? Teile deine Gedanken gerne in den Kommentaren unter diesem Beitrag.

Alles Liebe,

deine Svenja

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
22.4.25
15 Minuten Lesezeit