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Eine Einführung in die verbundene Atmung

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
20.8.24
10 Minuten Lesezeit
Eine weiblich gelesene Person liegt auf dem Rücken, auf einer Yoga-Matte, Hände auf dem Bauch, Mund leicht geöffnet in einer verbundenen Atmung. Es sind Pflanzen im Hintergrund zu sehen.

In der Welt des Breathwork gibt es viele verschiedene Techniken, die uns helfen können, tiefer mit uns selbst in Kontakt zu kommen und unser Wohlbefinden zu steigern. Eine besonders kraftvolle Methode, die oft direkt mit dem Begriff "Breathwork" in Verbindung gebracht wird, ist die verbundene Atmung. In diesem Artikel möchte ich dir einen Einblick in diese Technik geben, ihre Effekte erklären und dir zeigen, wie du sie sicher und effektiv in dein Leben integrieren kannst.

Was ist die verbundene Atmung?

Die verbundene Atmung, im Englischen auch als "Conscious Connected Breathing" bekannt, ist eine Atemtechnik, bei der wir bewusst und ohne Pausen zwischen Ein- und Ausatmung atmen. Es ist eine aktive Form der Atmung, die uns erlaubt, tiefer mit unserem Körper, unseren Emotionen und unserem Geist in Kontakt zu kommen.

Die Grundlagen dieser Technik sind relativ einfach: Du bist in der Regel eingeladen durch den geöffneten Mund ein und aus zu atmen, in alle Bereiche deines Oberkörpers zu atmen, aktiv einzuatmen und die Ausatmung möglichst passiv zu machen, so dass du den Atem möglichst ohne Anstrengung wieder aus dem Körper rausfließen lässt. Zwischen der Ein- und Ausatmung gibt es keine Pausen, der Atem fließt kontinuierlich.

Ich hatte meine erste Erfahrung mit dieser Technik im Januar 2018 in Brighton. Ich habe damals an einem Workshop teilgenommen, in dem wir eine Stunde lang die verbundene Atmung praktizierten. Diese Erfahrung war so kraftvoll und prägend, dass ich sofort wusste: Das ist ein Tool, das ich langfristig in mein Leben integrieren möchte. Sie legte den Grundstein für meinen heutigen Weg als Breathwork Coach.

Die Effekte der verbundenen Atmung

Die verbundene Atmung kann vielfältige Auswirkungen auf unseren Körper und Geist haben. Wichtig ist zunächst einmal, dass du dir bewusst machst, dass jede Session einzigartig ist und jede Person ihre ganz eigenen Erfahrungen macht. Unabhängig davon also, was du schon von anderen Menschen über die Wirkung von Breathwork gehört hast: für dich können sich während des Atmens gegebenenfalls ganz andere Dinge zeigen.

Auf körperlicher Ebene könntest du zum Beispiel ein Kribbeln spüren, dich benommen oder schwindelig fühlen. Manche Personen erleben Temperaturwechsel (ihnen wird besonders heiß oder kalt) oder sogar leichte Krämpfe in Händen oder Gliedmaßen.

Mental können sich Bilder vor deinem inneren Auge zeigen, alte Erinnerungen können hochkommen, neue, kreative Ideen sprudeln oder du kannst plötzlich Antworten auf Fragen finden, die dich schon lange beschäftigen.

Außerdem können während des Breathwork Emotionen in dir aufsteigen, die dein Körper in der Vergangenheit gespeichert hat, weil du sie bisher noch nicht gefühlt hast. Mir ist hierbei wichtig, dass Breathwork dir einen Raum ermöglicht, in dem alle Gefühle willkommen sein dürfen. Von Freude über Traurigkeit bis hin zu Wut - alles darf sein und sich zeigen.

Einige Menschen berichten außerdem von tiefen spirituellen Erfahrungen während der Praxis.

Es ist kann aber auch sein (und auch das ist völlig okay!), wenn du während einer Breathwork-Session gar nichts von alledem erlebst. Jede Erfahrung ist wertvoll und richtig. Das Wichtigste ist, dass du lernst, deinem Körper zu vertrauen und auf seine Signale zu hören.

Sicherheit geht vor: Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

So kraftvoll die verbundene Atmung auch sein kann, sie ist nicht für jede Person und jede Situation geeignet. Es gibt einige Umstände, unter denen du vorsichtig sein solltest und die Technik nur nach Absprache mit deiner Ärztin oder Heilpraktikerin ausprobieren solltest.

Zu diesen Umständen gehören:

  • Wenn du unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stehst
  • bei der Einnahme von anti-psychiatrischen Medikamenten
  • bei Epilepsie, Glaukom, kürzlichen Schlaganfällen oder Herzinfarkten
  • bei einer bipolaren Erkrankung oder Schizophrenie
  • bei Herz- oder Kreislauf-Beschwerden
  • bei unbehandelten Blutdruckproblemen
  • bei einer eingeschränkten Lungenkapazität (z.B. durch Asthma oder Long Covid)
  • bei Diabetes Typ 1
  • nach einer kürzlich erfolgten Operation
  • während der Schwangerschaft (besonders im ersten Trimester oder bei Risikoschwangerschaften)

Wenn einer dieser Punkte auf dich zutrifft, sprich bitte vorher mit deinem Arzt oder deiner Ärztin, ob und in welcher Form Breathwork für dich geeignet ist. Deine Gesundheit und Sicherheit stehen an erster Stelle.

Inklusion und Zugänglichkeit in der Breathwork-Praxis

Mir ist es wichtig, dass Breathwork für jede Person zugänglich ist. Daher gibt es immer Alternativen, wenn die klassische verbundene Atmung nicht passt.

Möglichkeiten, die du ausprobieren kannst, wenn sich die oben vorgestellte Version für dich nicht passend anfühlt oder du eine oder mehrere der oben genannten Kontraindikationen erfüllst, sind:

  • Nasenatmung: Statt durch den Mund kannst du durch die Nase atmen. Das ist in der Regel etwas sanfter für das Nervensystem.
  • Kohärenzatmung: Hierbei atmest du gleichmäßig lang ein und aus, was eine beruhigende Wirkung hat.
  • Sanfteres Tempo: Entgegen der Anleitung mancher Breathwork-Coaches musst du nie schnell oder intensiv atmen. Erlaube dir, deinen eigenen, angenehmen Rhythmus zu finden, der sich für dich passend anfühlt.
  • Kürzere Dauer: Viele Breathwork Sessions dauern mindestens 30 Minuten. Du kannst die verbundene Atmung aber auch nur für fünf bis zehn Minuten praktizieren und dann in eine andere, ruhigere Atemtechnik übergehen.
  • Sitzende Position: Wenn Liegen für dich nicht bequem ist, kannst du die Übung auch im Sitzen machen.

Dein Breathwork-Coach kann gegebenenfalls noch weitere Ideen und Vorschläge für Anpassungen für dich haben.

Zur Erinnerung: Es geht darum, dass du dich wohl und sicher fühlst. Höre auf deinen Körper und passe die Praxis entsprechend an. Diese Flexibilität und Anpassungsfähigkeit macht Breathwork zu einem inklusiven Tool, das wirklich für alle zugänglich sein kann.

Die verbundene Atmung im Alltag

Die verbundene Atmung ist ohne Frage eine kraftvolle Technik. Gleichzeitig ist mir wichtig zu betonen, dass sie keine Alltagsatmung ist und nicht "einfach so" zwischendrin angewendet werden sollte. Denn auch ein paar bewusste, verbundene Atemzüge können schon eine spürbare Wirkung haben.

Wenn du die verbundene Atmung in deinen Alltag integrieren möchtest, habe ich hier noch ein paar Vorschläge für dich:

  • Wenn du einen Energieschub brauchst, können zehn Atemzüge nach der verbundenen Atmung dir helfen, wieder in Schwung zu kommen.
  • Vor einer Meditation können ein bis zwei Minuten nach der verbundenen Atmung deinen Geist klären und dich auf deine Praxis vorbereiten.
  • In Stresssituationen kann das bewusste Verbinden deines Atems helfen, das Gedankenkarussell im Kopf für einen Moment zu unterbrechen.

Wenn du längere Sessions machen möchtest, und besonders wenn du noch keine Erfahrung hast, ist es wichtig, dies unter Anleitung eines ausgebildeten, Trauma-sensiblen Breathwork Coaches zu tun. Die Kraft dieser Praxis sollte respektiert werden, und professionelle Unterstützung kann dir helfen, sicher und effektiv zu praktizieren.

Wie findest du den richtigen Breathwork Coach?

Damit du weißt, wonach du ausschauen solltest, wenn du Breathwork ausprobieren möchtest, habe ich hier noch ein paar Tipps zur Auswahl eines für dich passenden Breathwork-Coaches:

  1. Ausbildung: Achte auf eine fundierte Ausbildung des Breathwork-Coaches! Frage gegebenenfalls nach, wo und wie lange der Coach ausgebildet wurde. Eine gute, tief-greifende Breathwork-Ausbildung sollte mindestens neun, besser zwölf Monate dauern, damit der Breathwork-Coach genug Zeit hat, Inhalte nicht nur zu lernen, sondern auch anzuwenden und zu integrieren.
  2. Erfahrung: Erkundige dich auch, wie viel Erfahrung der Coach mit deinen konkreten Themen hat. Dabei geht es nicht nur um die Erfahrung im Anleiten, sondern auch in der eigenen Praxis.
  3. Trauma-Sensibilität: Ein guter Coach sollte Trauma-informiert arbeiten und wissen, wie man mit aufkommenden Emotionen umgeht. Er oder sie weiß, dass es nicht ausschließlich darum geht, dass eine Breathwork-Erfahrung besonders emotional oder kathartisch ist, sondern dass vor allem wichtig ist, dass du deine Erfahrung gut integrieren kannst und du am Ende wieder gut geerdet bist.
  4. Philosophie: Achte auch darauf, ob der Ansatz des Coaches zu dir passt. Fühlst du dich wohl und sicher mit der Person?
  5. Nachsorge: Bietet der Coach Unterstützung nach der Session an? Wie kannst du auch im Anschluss noch in Kontakt treten, falls sich nach dem Breathwork weitere Themen bei dir zeigen oder dir die Integration schwerfällt?

Grundsätzlich können Gruppensessions für den Anfang eine gute Option sein, um einmal einen Einblick in Breathwork und die Arbeit eines Coaches zu bekommen. Wenn du jedoch an tiefsitzenden inneren Themen arbeiten möchtest, besonders wenn diese mit Trauma zu tun haben, empfehle ich unbedingt 1:1 Sessions mit einer erfahrenen (und gut ausgebildeten) Expert*in!

Mythen und Missverständnisse über Breathwork

Schließlich möchte ich noch ein paar Missverständnisse über Breathwork und die verbundene Atmung ansprechen, die es manchmal gibt.

Zunächst einmal ist Breathwork kein Wundermittel. Auch wenn es sehr kraftvoll sein kann, lösen sich innere Themen selten nachhaltig mit nur einer Session. Es ist ein Werkzeug für kontinuierliches Wachstum und Selbsterforschung, aber keine Einmallösung.

Des Weiteren bedeutet intensiver nicht unbedingt besser. Kathartische Zustände mögen sich im Moment gut oder aufregend anfühlen, sind aber oft für das Nervensystem nicht integrierbar. Ich kann es gar nicht oft genug sagen, aber Nachhaltigkeit ist wichtiger als Intensität. Es geht darum, eine Praxis zu entwickeln, die du langfristig in dein Leben integrieren kannst.

Und schließlich möchte ich auch noch einmal dazu einladen, die Kraft hinter Breathwork wirklich ernst zu nehmen. Obwohl es stimmt, dass jede Erfahrung wertvoll ist, ist es eben auch wichtig, respektvoll und achtsam mit dieser Praxis umzugehen.

Ein abschließender Gedanke

Die verbundene Atmung ist ein kraftvolles Werkzeug zur Selbsterforschung und persönlichen Entwicklung. Sie kann dir helfen, tiefer mit dir selbst in Kontakt zu kommen, Spannungen zu lösen und neue Perspektiven zu gewinnen. Mit Respekt, Achtsamkeit und der richtigen Anleitung kann diese Praxis zu einem wertvollen Begleiter auf deinem persönlichen Wachstumsweg werden.

Hast du schon Erfahrungen mit der verbundenen Atmung gemacht? Oder hast du Fragen dazu? Ich freue mich auf deine Kommentare und unseren Austausch!

Viele liebe Grüße,

deine Svenja

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
20.8.24
10 Minuten Lesezeit