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Wie es sich anfühlt, die Komfortzone zu verlassen & das innere Sicherheitsgefühl zu verlieren

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
26.12.23
15 Min. Lesezeit
Ein Bild vom Machu Picchu mit Blick auf die Inka-Stätte

Eine ehrliche Reflexion meiner ersten Wochen in Peru

Unsere Komfortzone ist ein wichtiger Ort – er gibt uns Sicherheit und kann helfen, unser Nervensystem zu regulieren. Gleichzeitig ist es wichtig, ab und zu mal aus der Komfortzone herauszutreten beziehungsweise sie zu erweitern, damit wir wachsen und uns weiterentwickeln können (wobei Wachstum und Entwicklung auch innerhalb der Komfortzone passieren können, aber dazu werde ich in einem anderen Blogartikel mal mehr schreiben…).

Heute möchte ich mit dir eine ehrliche Reflexion meiner ersten Wochen in Peru teilen – eine Zeit, die mich soweit aus meiner Komfortzone geführt hat, dass ich zwischendurch jedes Sicherheitsgefühl verloren und alle meine Werkzeuge vergessen hatte. Und daran hat erstmal nichts nach Wachstum und Entwicklung angefühlt…

2019 bin ich für fünf Wochen allein durch Italien gereist. Es war damals nicht das erste Mal, dass ich allein unterwegs war, aber es war meine bis dahin größte selbstorganisierte Reise allein. Ich habe danach einen Blogbeitrag darübergeschrieben, was ich alles gelernt und aus der Reise für mich mitgenommen hatte [LINK]. Mein größter Gewinn damals war die Entdeckung einer neuen tiefen inneren Sicherheit für mich – die einherging mit dem Gefühl, dass ich mir selbst und dem Leben grundsätzlich vertrauen kann und in der Lage bin, alle Situationen zu meistern.

Im Herbst 2023 habe ich beschlossen, einen Herzmenschen in seinem Heimatland Peru zu besuchen. Peru (beziehungsweise Südamerika insgesamt) stand bis dahin überhaupt nicht auf meiner Reiseliste. Alles an diesem Kontinent schien zu weit raus aus meiner (von Privilegien gefütterten) Komfortzone.

Als ich mich für die Reise und einige der Details (z. B. die Wanderung des Inca Trails) entschied, ahnte ich, dass dies für mich viele neue Erfahrungen bedeuten, dass einiges mich aus meiner Komfortzone bringen und dass das Sicherheitsgefühl meines Nervensystems herausgefordert werden würde.

Und es war wirklich so, als wollte mich das Universum in Peru auf eine ganz neue Art und Weise testen...

  • Am dritten Tag wurden mein Telefon und meine Kreditkarte gestohlen (in einem Café – einem Ort, den ich zu Beginn jeder Reise aufsuche, weil es mein Sicherheitsgefühl stärkt...)
  • Die wenigsten Menschen in Peru sprechen fließend Englisch (bisher konnte ich mich auf all meinen Reisen immer fließend verständigen - etwas, das mir ebenfalls viel Sicherheit gab!)
  • An Tag 2 von 4 habe ich den Inca Trail abgebrochen, weil er zu herausfordernd für mich war.
  • Mein Guide, der mich auf dem Rückweg vom Inca Trail zum Machu Picchu begleiten sollte, hat am zweiten Tag den von uns gebuchten Zug nicht pünktlich erreicht, so dass ich plötzlich allein an einem Ort war, wo ich nicht wusste, was die nächsten Schritte sind (im Vergleich wirklich eher ein kleines Problem, weil ich ja wusste, dass er später nachkommen würde; für ein disreguliertes Nervensystem aber ein weiterer Stressfaktor).
  • Während der 2,5 Tage, die ich allein unterwegs war, ging mir das Bargeld aus und meine zweite Kreditkarte hatte ihr Limit erreicht, so dass ich plötzlich nicht mehr genug Geld hatte für Unterkünfte und Essen (und durch das geklaute Telefon keinen Zugriff auf mein Konto hatte)

Das Universum schien wissen zu wollen, wie viele meiner Urängste es triggern könnte, bevor ich völlig durchdrehte.

Wo sind meine (mentalen und körperlichen) Grenzen?

Wie gut kann ich mich regulieren in ungewohnten und chaotischen Situationen?

Wie sehr kann ich in mich, mein Support Netzwerk und das Universum vertrauen?

Ich bin mir nicht sicher, dass ich die Tests immer besonders erfolgreich gemeistert habe.

Ich war in vielen Situationen hilflos überfordert. Ich brauchte mehrere Notfall-Sitzungen mit meiner Psychologin.

Ich habe mehrfach angezweifelt, dass es eine Lösung gibt. Dass ich das schaffen könnte. Dass die Menschen, die mir ihre Hilfe angeboten hatten, es ernst meinten beziehungsweise nicht komplett genervt von mir waren.

Ich habe mehrfach geglaubt, dass ich nicht liebenswert, aber dafür absolut anstrengend sei.

Ich habe es sogar geschafft, zeitweise, das wichtigste Werkzeug, das ich immer bei mir trage (und mit dem ich mein Geld verdiene!) komplett zu vergessen und nicht anzuwenden – meinen Atem!

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich mich am Ende einfach wieder mit mir und meinen Atem verbunden habe und dadurch allen Stress und die Sorgen hinter mir lassen konnte.

Aber so war es einfach nicht. Die ersten (fast drei) Wochen meiner Peru-Reise waren eine absolute Herausforderung für mich und mein Nervensystem.

Und während ich natürlich viel gelernt habe und an vielen Stellen mit Sicherheit gewachsen bin und meine Komfortzone nachhaltig erweitert habe, bin ich an vielen Stellen mit den mir bis dahin bekannten Werkzeugen einfach nicht weitergekommen (manchmal auch, weil ich sie schlichtweg vergessen hatte im Stress).

Ich verfasse diesen Blogartikel mit dem Wunsch, dich (und mich) daran zu erinnern, dass wir alle nie damit fertig sind, uns zu entwickeln und zu wachsen. Auch wenn wir glauben, dass wir die Sicherheit in uns schon gefunden haben, dass wir so viele unserer Themen schon gelöst haben, dass wir schon so viel regulierter sind und besser mit Stress umgehen können... Ja, selbst wenn wir zu wissen glauben, dass wir dem Universum und/oder uns selbst vertrauen können… Das Leben hält immer wieder neue Themen und Aufgaben für uns bereit, die uns herausfordern und uns auffordern, zu reflektieren, wie gut integriert unsere Werkzeuge wirklich sind.

Unser Entwicklungs- und Heilungsweg endet (mit größter Wahrscheinlichkeit) nie - und jede Person, die behauptet, sie hätte alle ihre Themen gelöst und könnte nun in jeder Situation ganz entspannt und mit sich verbunden reagieren, hat vermutlich diese Reise namens Leben noch nicht verstanden und täuscht sich selbst...

(Das ist natürlich nur eine Vermutung, vielleicht sind einige Menschen ja wirklich komplett 'erleuchtet' und lassen sich von nichts mehr triggern und auf der Ruhe bringen - ich gehöre auf jeden Fall nicht dazu... Aber ich glaube, dass ich zumindest damit aktuell sehr okay bin und damit auch ein sehr viel empathischerer und sensiblerer Coach sein kann, als diejenigen, die glauben, sie könnten alle Probleme einfach mit etwas Atmen auflösen...)

Schreib mir gerne einen Kommentar, wo du aktuell auf deiner eigenen Entwicklungsreise stehst und mit welchen Herausforderungen du zu kämpfen hast. Manchmal kann es sich befreiend(er) anfühlen, wenn wir feststellen, dass wir nicht die einzigen Personen sind, die vom Leben herausgefordert sind.

Alles Liebe

Deine Svenja

Nachtrag: Diesen Blogpost habe ich direkt nach meiner Rückkehr vom Inca Trail geschrieben. Eine Woche später habe ich mich entschieden, meine Zeit in Peru um drei weitere Wochen zu verlängern. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mein Nervensystem wieder etwas reguliert und ich habe mich bereit gefühlt, weiter Erfahrungen in Peru zu machen.

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
26.12.23
15 Min. Lesezeit